Auszug aus der Chronik der Narrenzunft Villingendorf 1954

Dem geschätzten Leser ist gewiß bekannt, dass unser Schwabenland von einem närrischen Völkle bewohnt wird, das sich auch im Raum Rottweil, Schramberg und Oberndorf konzentriert. Aus dem Leben unserer Kreisstadt Rottweil ist der historische Narrensprung, der alljährlich stattfindet, nicht mehr wegzudenken. Doch darum, was in Rottweil selbstverständlich wurde, muß in den umliegenden Ortschaften noch mit Fleiß und Zähigkeit gerungen werden.

gez. Hauptlehrer Eduard Tkotsch im Jahre 1954

 

1954 – Gründung der Narrenzunft Villingendorf

Ohne Zweifel werden auch bei einem Glas Wein gute Gedanken geboren. So saßen am 6.Januar 1954 sechs bier- und weinselige Narren im "Kreuz". Verzeihung! 5 Herren und eine verehrte Dame: Amalie Schanz, Bruno Schanz, Felix Belser, Severin Schanz, Alfons Flaig und Alfred Link.

Sie schwätzten viel und sagten wenig, bis ein Gedankenblitz zündete: In diesem Jahr werden wir einen Narrensprung veranstalten, koste es, was es wolle!

Gesagt, getan. So gab man damals dem "Büttel" Eugen Ettwein den Auftrag, diese Neuigkeit der Bevölkerung bekannt zu geben. So konnte die erste Versammlung aller Interessierten am 9.Januar 1954 stattfinden.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der erste Umzug in unserem Dorf durch Vinzenz Seeburger bereits 1929 stattfand. Ein zweiter Umzug folgte 1949.

Doch zurück ins Jahr 1954. Das Ausschellen kostete damals 2 Deutsche Mark. Eine Deutsche Mark opferte Felix Belser, der zum "Büttel" sprach: "Und eine Mark musst Du leiden!" Bei einer Haussammlung langten 279 Bürger in ihre strapazierten Geldbeutel, um der Narrenzunft die Möglichkeit zu geben, ihr Vorhaben zu finanzieren.

Ertrag: 111 Deutsche Mark und 11 Pfennige

Narrenzunftmitglieder: 101 Personen

Der erste Elferrat setzte sich zusammen aus:

Alfons Flaig (Narrenvater), Hermann Haag (Schriftführer), Felix Belser (Kassierer),
Bruno Schanz (Narrensamenführer), Linus Keller, Anton Haas, Karl Braun, Hermann Mattes, Anton Mager, Karl Schanz, Peter Müller, Willi Grimm, Karl Wagner und Hans Schanz.

Zugegeben, es waren 14 Elferräte.

 

Die erste Fasnachtsveranstaltung fand am "Schmotzigen Donnerstag" im Gasthaus Kreuz statt und wurde im Gasthaus Linde wiederholt, da die Besucherzahl sehr groß war. In den Jahren nach 1954 mussten die damaligen Elferräte den Bürgerball weiter im Gasthaus Linde abhalten, da in all den Jahren die Besucherzahlen weiter anstiegen. Damals wurde von den Elferräten der Bürgerball immer am Fasnachtssonntag abgehalten, erst in späteren Jahren ist man auf den Fasnachtssamstag übergegangen.

Erster Fasnetsumzug 1954
Erster Fasnetsumzug 1954 ...
Erster Fasnetsumzug 1954 (2)
... mit einem Gespann und ein paar Narren.

Leider wurde die vorhandene Chronik ab dem Jahr 1964 nicht mehr weitergeführt, daher müssen an verschiedenen Stellen immer größere Sprünge im Zeitverlauf gemacht werden.

In den 60er Jahren erstellte die Gemeinde Villingendorf eine neue Schule und zugleich eine Turn- und Festhalle. Somit konnten nach der Einweihung die weiteren Fasnachtsveranstaltungen in der Turn- und Festhalle stattfinden. Nun hatte man zwar eine große Räumlichkeit, aber auch immer mehr Arbeit. Die Turn- und Festhalle musste nicht nur geschmückt werden, sondern man musste auch die Bühne für die Auftritte und die Musikkapelle aufbauen.

Die Narrenzunft war zu diesem Zeitpunkt noch kein eingetragener Verein. Am 15. Dezember 1977 wurde beim Amtsgericht-Registergericht in Rottweil die Narrenzunft Villingendorf als Verein eingetragen. Den Beschluss zur Eintragung fasste der damalige Elferrat: Heinrich Zitzler (Narrenvater), Egon Müller, Willi Merz, Manfred Emminger, Rolf Seckinger, Albert Haas, Eugen Müller, Eberhard Schanz, Klaus Flaig, Erwin Müller und Josef Merz.

Erst Anfang der 80er Jahre wurde den damaligen Elferräten der Bühnenbau erleichtert, da die Gemeinde Villingendorf an die Turn- und Festhalle einen Anbau mit Bühne errichtet hat.

Von den 70er und 80er Jahren geht es nun gleich auf die 90er Jahre über, in denen es für die Narrenzunft Villingendorf e.V. eine große Neuheit gab. Bis zum Jahr 1990 entwarfen die Elferräte Franz Müller (Narrenvater), Hermann Flaig (2. Vorstand), Hans Jürgen Höflinger (Schriftführer), Hermann Seeburger (Kassierer), Dieter Rieger, Michael Eger, Klaus Schuhmacher, Norbert Link, Uwe Putz, Ulrich Müller und Clemens Hummel einen eigenen Narrentypen, den "Habermüasler".

Der Prototyp des Habermüaslers lief erstmalig an der Fasnet 1990 als Fahnenträger beim Umzug mit. Im Jahr 1991 waren bereits 60 Habermüasler bereit, doch leider fiel die Fasnet aus. Gründe hierfür war der zweite Golfkrieg, in dem erstmalig deutsche Soldaten beteiligt waren sowie die Angst vor terroristischen Anschlägen. Der politische Druck auf die Vereine war hoch, man könne doch nicht feiern während deutsche Soldaten am Golf im Einsatz waren und die Gefahrenlage durch Anschläge wurde als kritisch eingeschätzt, daher entschieden die Vereine und Zünfte die Fasnet 1991 ausfallen zu lassen. Somit konnte das Gros der Habermüasler erstmals an der Fasnet 1992 beim Umzug mitlaufen.

Im Jahre 2000 wurde mit der Vorstellung des Saiers ein neues Kapitel in der Vereinsgeschichte begonnen. Der ob seiner Seltenheit gern gesehene Saier bringt einen harmonischen Farbtupfer in die Narrenschar.

Bis zum Jahr 2002 hatte die Narrenzunft keine eigenen Räume zur Verfügung. Im Schulgebäude diente bis dato ein verschließbarer Raum auf der Bühne als Lagerstätte. Doch das sollte sich ändern als die Gemeinde Villingendorf mit der Planung der Renovierung des alten, denkmalgeschützten Schwesternhauses in der Oberen Gasse begonnen hatte. Neben der Nutzung für die Jugendarbeit wurde auch einem vor langer Zeit bereits gestellten Antrag entsprochen und die Nutzung der Räume durch die Narrenzunft vom Gemeinderat beschlossen.

Im Juli 2002 begannen die Arbeiten, die durch beauftragte Handwerker, den Jugendverein "For You!", die Elferräte und einige wenige Helfer erledigt wurden und bis zum November 2003 andauerten. In unzähligen Stunden wurde abgetragen, abgerissen, rausgerissen bis im Innern fast nur noch leeres Fachwerk sichtbar war. Viele weitere Stunden waren gemeinsam zu leisten, um wieder alles liebevoll neu aufzubauen, zu restaurieren, zu bewahren, mit Blick für die Historie zu modernisieren und dem Haus ein neues Aussehen zu gegeben. Inzwischen kann sich das Schwesternhaus wieder sehen lassen, es ist zu einem Schmuckstück in der Gemeinde geworden. Seit Baubeginn am 18.07.2002 bis zur Generalversammlung am 14.11.2003 wurden 812 Arbeitsstunden geleistet, davon 41 von Nicht-Mitgliedern, 40 von Mitgliedern und 731 vom Elferrat.

Die Räumlichkeiten wurden am 28.11.2003 in einer feierlichen Zeremonie eingeweiht und die Bürgerinnen und Bürger konnten sich am 30.11.2003 beim Tag der offenen Tür das "neue" Schwesternhaus besichtigen und sich über die abgeschlossenen Renovierungsarbeiten anhand einer Bilderausstellung informieren.

Im ersten Stock stehen der Narrenzunft nun als Zunftstube zwei nur durch ein offenes Fachwerk getrennte Räume zur Verfügung, sowie der gesamte zweite Stock als Bühne und Lagerfläche. Endlich können der Fundus und die Kleidle sach- und fachgerecht gelagert werden.

Im Jubiläumsjahr 2004 war die Zahl der Habermüasler auf 190 Kleidle und die der Saier auf 8 Kleidle angewachsen. Insgesamt hatte der Verein 357 Mitglieder.

Das Narrentreffen vom 23.-26.01.2004 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Narrenzunft war ein toller Erfolg. Der Elferrat dankt nochmals allen Helfern und all denjenigen, die in irgendeiner Weise zum Gelingen beigetragen haben. Die über 700 Bilder des Narrentreffens beweisen, was viele Einwohner von Nachbargemeinden bezweifelt haben: Auch die als "Vorstädter" bezeichneten Villingendorfer können ein tolles Narrentreffen ausrichten.

Über den Termin des nächsten Narrentreffens sind sich die Mitglieder des neuen und alten Elferrats noch uneins. Die noch Aktiven plädieren aufgrund der vielen Arbeit und des finanziellen Risikos auf das Jahr 2029 (75 Jahre Narrenzunft), die Ehemaligen auf das Jahr 2015 (25 Jahre Habermüasler). Wir werden rechtzeitig informieren...

Seit 1954 haben folgende Narrenväter als Vorstände die Geschicke der Narrenzunft Villingendorf e.V. geleitet:

Alfons Flaig, Alfons Gaiselmann, Bruno Schanz, Hans Glatz, Hans Bäcker, Karl Mei, Heinrich Zitzler, Eberhard Schanz, Josef Merz, Thomas Haller, Franz Müller, Clemens Hummel, Tobias Schuhmacher und Benedikt Schanz. Die Elferräte seit 1981 sind auf der Seite Elferrat aufgeführt, seit dem Jahr 2000 sogar mit Gruppenbild.

 

 

Sollte Dir dieser kleine Ausschnitt der Geschichte der Narrenzunft Villingendorf e.V. gefallen haben, erzähle es doch bitte weiter.